– Weißt du schon, was du deiner Tochter zum 18. schenken wirst, fragt Kurt.
Wir sind am Weg zu Kurts Bekannten, Abendessen samt Besäufnis, alles für die neue Produktion.
– Meine Tochter ist fünf, sage ich.
– Eben, sagt Kurt.
– Was eben?, frage ich.
– Jetzt ist sie fünf, morgen zehn und eh du dich versiehst …
– Das wäre die Abfahrt gewesen, sagt Kurt.
– Aber das Navi, sage ich.
– Das Navi ist doch Schwachsinn, sagt Kurt. Dreh da vorn um.
Kurt ist ein bekannter Regisseur. Was soll ich sagen? Ich bin ein kleiner Schreiberling und er mag meine Stücke. Und meine Frau mag es, wenn meine Stücke ans Theater kommen. So einfach ist das. Apropos meine Frau.
– Meine Frau hat jetzt eine Halbtagsstelle. Bei einem Arzt, sage ich.
–Aha, sagt Kurt, mit Blick nach vorn. Jetzt musst du rechts, dann die erste links.
Folgsam wie ich bin, halte ich mich an seine Anweisungen, auch wenn das Navi anderer Meinung ist.
– Also, sagt Kurt. Was schenkst du deiner Tochter nun zum achtzehnten?
– Was soll denn das, Kurt?, sage ich.
– Was hast du ihr zum fünften geschenkt?, fragt Kurt.
– Ein Barbiehaus, sage ich. Und ein Barbiepferd.
– Eine Halbtagsstelle, sagst du? Bei einem Arzt? Soviel ich weiß, bringt das nicht viel ein.
– Tausend Euro, immerhin, sage ich. Und Lena macht´s Spaß. So kommt sie mal raus, sieht was anderes als ewig nur den Haushalt.
– Lena war keine schlechte Schauspielerin, sagt Kurt.
– Ich weiß, sage ich.
Das Navi berechnet neu, Kurt sieht aus dem Seitenfenster.
– Da sind wir nicht richtig, sagt er.
Ich weiß, will ich wieder sagen, doch halte ich diesmal besser den Mund. Wie gesagt: Meine Frau mag es, wenn meine Stücke ans Theater kommen.
Das Navi ist mit der Neuberechnung fertig und lotst uns zurück auf die Tangente. Kurt zuckt mit den Schultern.
– Ein Barbiepferd also, sagt er.
– Ja, sage ich. Und ein Haus.
– Ganz in rosa?, fragt er.
– Rosa und weiß, sage ich.
– Prinzessinendramen, sagt Kurt.
– Komm mir jetzt nicht mit der Jelinek, sage ich.
– Magst du sie nicht?, fragt Kurt.
– Ich kenn sie nicht, sage ich. Aber meine Tochter ist nicht die Jackie.
– Oho, sagt Kurt. Über die Tochter lässt er nichts kommen. Dabei ist sie doch erst fünf.
– Ja, sage ich, sie ist fünf und wird ewig auf mich böse sein, dass ich heute nicht zum Umzug komme.
– Wenn die Väter mit den Töchtern, sagt Kurt.
– Ich hab´s ihr versprochen, sage ich.
Meine Tochter ist fünf und nimmt das zweite Mal beim einer Halloweenfeier teil. Sechs Kinder und zwei Väter und ich werde wieder nicht dabei sein.
– Was hast du ihr zu ihrem vierten gekauft?, fragt Kurt.
– Wie bitte?, frage ich und schaue aufs Navi.
– Zu ihrem vierten Geburtstag, sagt Kurt.
– Was? Wozu willst du das denn jetzt wissen? … Eine Barbie, glaub ich. Ja, diese Meerjungfrau … wie heißt sie nochmals?
– Arielle, sagt Kurt.
– Alle Achtung, sage ich. Dass du dich mit Jelinek, Jonke und Co auskennst, weiß ich ja, aber mit Disney?
– Wieviele Barbies hat deine Tochter eigentlich?
– Zu viele, sage ich.
– Und mit wie vielen davon spielt sie noch?, fragt Kurt.
– Was weiß denn ich? Einer hat sie neulich die Haare schwarz gesträhnt. Mit Lenas Wimperntusche.
– Kreativ, die Kleine, sagt Kurt.
– Ja, sage ich und: Sag mal, wieso stellst du mir eigentlich die ganze Zeit diese Fragen?
– Naja, sagt Kurt. Ich frag mich halt, was so ein Kind kostet. Im Lauf der Zeit, meine ich. Ganz ehrlich.
Das beginnt doch schon mit den Süßigkeiten und so – morgens im Kindergarten. Wenn du zum Weinen aufhörst, bring ich dir was Schönes mit, und dann: Schultüte, Barbies, Barbiehaus, Barbiepferd.
– Du hast die pinkelnde Babypuppe vergessen, sage ich. Die war mit vier dran.
– Ich dachte, das war Arielle, sagt Kurt.
– Arielle und die pinkelnde Babypuppe, sage ich.
– So viel zahlt dir das Theater doch gar nicht, sagt Kurt. Dein Roman vor drei Jahren?
– Ach was, sage ich, ich geh Leute interviewen. Für so einen Finanzoptimierer.
– Du gehst WAS?
– Leute interviewen, sage ich. Ich frage sie nach ihren Versicherungen und trage alles in Listen ein. Das schick ich dann an diese Firma.
– Und das bringt Geld ein?, fragt Kurt.
– Gar nicht so wenig, sage ich. Und ich bin flexibel. Ich kann so viele Interviews im Monat machen, wie ich gerade brauche.
– Also vor Lillys Geburtstagen, sagt Kurt.
– Ja, sage ich.
– Und vor Ostern und Weihnachten, sagt Kurt.
– Und vor Ostern und Weihnachten, sage ich.
– Und zwischendurch, sagt Kurt.
– Selbstverständlich, sage ich.
Kurt schnauft.
– Und? Was schenkst du ihr jetzt an ihrem 18?
– Weiß noch nicht, sage ich.
– Ich schon, sagt Kurt. Mit vierzehn bekommt sie ihr eigenes Jugendkonto, mit 16 ein Motorrad und mit 18 ein Auto.
– Mit 20 eine Wohnung, sage ich.
– Echt? sagt Kurt.
– Davor studiert sie ein Jahr in London, sage ich. Das kostet mich an die 25.000 Euro.
– So weit habt ihr schon vorgeplant?, fragt Kurt.
– Natürlich, sage ich. Aber ich weiß noch nicht, was ich ihr zum 15. schenken soll.
Kurt sieht mich irritiert an.
– Markenjeans?, fragt er.
– Markenjeans, eine Lederjacke und Converse. Gute Idee, sage ich.
– Trägt man die heute noch? Converse?, fragt Kurt.
– Heute ja. Aber in 10 Jahren? Wer weiß, sage ich.
Wir sind da. Sagt das Navi. Kurt nickt, er war hier schon öfters Gast. Hinter einem der Fenster sehe ich eine rothaarige Frau in einem schwarzen Kleid herumflitzen. Ich muss an meine als Hexe verkleidete Tochter denken. An den Hut, den wir ihr beim Hofer gekauft haben. Meine Tochter ist noch zu jung, um einen Markenhexenhut zu verlangen.
– Du hast den Laptop vergessen, sage ich.
– Wie bitte?, sagt Kurt.
– Den Laptop. Alle Gymnasiasten brauchen jetzt einen. Und das Officepaket. Wenn Lilly mal auf die Grafische will, wird sie allerdings einen Apple brauchen. Da bekommt man dann nicht so leicht Raubkopien.
Kurt wird bleich.
– Und die Schullandwochen und Austauschprogramme, sage ich. Die fahren ja heute nicht mehr nur in die Steiermark. Zwei Wochen London, ein Monat Paris, ein halbes Jahr Moskau.…
– Ich glaub, ich verlass sie, sagt Kurt und schlägt mit der linken Handfläche aufs Autodach.
– Wovon redest du?, sage ich.
– Agnes, sagt er.
– Deine junge Schauspielerin?
– Ja, sagt Kurt.
– Wieso?, sage ich. Die ist doch recht süß. Wie lang seid ihr jetzt …?
– Dreizehn Monate, sagt Kurt.
– Dreizehn ist auch eine gruselige Zahl, sage ich.
– Eben, sagt Kurt. Viel zu lang.
– Na dann, sage ich.
– Weißt du, sagt Kurt. Sie will ein Kind.
– Das kannst du dir nicht leisten, sage ich.
– Eben, sagt Kurt.
©MK, 2010; erschienen in der Literaturzeitschrift Driesch