GLÜCK AUF!

In Fohns­dorf wur­de 308  Jah­re lang (1670–1978) Braun­koh­le abge­baut. Das Braun­koh­le­berg­werk hier war das tiefs­te der gan­zen Welt (bis zu 1135 Meter Tie­fe wur­de Koh­le abge­baut). Ins­ge­samt gab es 3 Schacht­an­la­gen (Wod­zi­cky,  Karl August, Antio­ni) mit 5 Schäch­ten. Die Abbau­fel­der lagen rund um Fohns­dorf. Der Wod­zi­cky Schacht selbst reicht in eine Tie­fe von 800 Meter. 1978 wur­de das Berg­werk still­ge­legt.  Heu­te sieht man nur mehr den För­der­turm sowie dasHaus mit der Dampf­ma­schi­ne.

Ins­ge­samt wur­den 1/3 der Koh­le-Reser­ven abge­baut (50 Mil­lio­nen Ton­nen). Erd­öl und Erd­gas haben die Koh­le schließ­lich ver­drängt. Außer­dem war die pol­ni­sche Koh­le güns­ti­ger. Durch die schwie­ri­gen Abbau­be­din­gun­gen imKoh­le­berg­werk Fohns­dorf (die extre­me Tie­fe, der hohe Druck, das vie­le Methan­gas,  ein Gefäl­le vo 25°) wur­de die­Ge­win­nung auf Dau­er  zu teu­er. Meist wur­de zu die­ser Zeit die Braun­koh­le bereits im Über­tag­bau gewon­nen. Durch den fixen Ver­trag mit dem Kraft­werk Zelt­weg war der Koh­le­preis außer­dem fest regu­liert.

Nach der Sper­rung des Berg­wer­kes Fohns­dorf gab es noch das Berg­werk in Köf­lach und Voits­berg. Die Koh­le dort hat­te zwar nur die Hälf­te des Heiz­werts der Fohns­dor­fer Koh­le, war jedoch ein­fa­cher und dadurch kos­ten­güns­ti­ger zuge­win­nen. Heu­te sind die Schäch­te zube­to­niert.  Nach der Schlie­ßung dau­er­te es ca 10 Jah­re, bis der­Grund­was­ser­spie­gel wie­der  aus­ge­gli­chen war.

Wie kam man zur Koh­le?

In den Sand­stein wur­den Gän­ge zur Koh­le gebaut. Dann bau­te man in der Koh­le  wie­der einen Gang. 80–100 Meter­tie­fer geschah das­sel­be. Die Ver­bin­dungs­stre­cke  war dann der Abbau, der gleich steil ver­läuft wie die Koh­le­schicht selbst – sehr steil hier bei Fohns­dorf, das Gefäl­le betrug 25°.

Sobald die Koh­le an einer Stel­le abge­baut war, brach  man die zuvor ein­ge­bau­ten Stüt­zen (Stem­pel ) wie­der nie­der. Stem­pel­rau­ber  – so nann­te man jene Arbei­ter. So wur­de die Koh­le Schicht für Schicht her­aus­ge­ar­bei­tet. War man fer­tig, ging man wie­der 80–100 Meter tie­fer. Und so wei­ter. So ent­stan­den ins­ge­samt 12 „Stock­wer­ke“ (in der­Fach­spra­che: Bau),  ver­gleich­bar in etwa mit einer rie­si­gen Tief­ga­ra­ge. Das offe­ne Stre­cken­sys­tem betrug an die 86 km– das ist ca die­sel­be Stre­cke wie von Fohns­dorf nach Graz.

Im Fohns­dor­fer Berg­werk gab es eine mas­si­ve Methan­gas­ent­wick­lung. Daher war die Gefahr von Schlag­wet­ter­ex­plo­sio­nen eine enor­me und die Sicher­heits­maß­nah­men sehr ver­schärft. 5 sol­cher Schlag­wet­ter­un­glü­cke gab es ins­ge­samt, beim größ­ten (1943) gab es 102 Tote. Das Methan­gas wur­de frü­her mit einem Ven­ti­la­tor her­aus­ge­saugt, durch einen 2. Schacht wur­de fri­sche Luft ein­ge­lei­tet. Die Gesteinstem­pe­ra­tur betrug bis zu 46°C, imBerg­werk hat­te es zudem eine Luft­feuch­tig­keit  von bis zu 80%. Bis zu einer Tem­pe­ra­tur von 30°C betrug die­Ar­beits­zeit 8 Stun­den, lag die Tem­pe­ra­tur dar­über, wur­de die Schicht auf 6 Stun­den ver­kürzt. Mit der Belüf­tung wur­de­nicht nur das Methan­gas abge­saugt, son­dern auch ver­sucht, die Luft­tem­pe­ra­tur unter 30° zu drü­cken. Ob man 6 oder 8Stunden arbei­ten muss­te, lag nicht sel­ten am Stei­ger (dem Chef) – je nach­dem, wo er das Ther­mo­me­ter hin­hielt, konn­tees unter oder über 30°C haben. Durch die Belüf­tung (in der Fach­spra­che: Bewet­te­rung)  arbei­te­ten die nass­ge­schwitz­ten Kum­pel  stän­dig in der Zug­luft – kein Wun­der, dass vie­le  an Rheu­ma lit­ten.

Die Arbeit eines Hau­ers bestand zu der Zeit, als mein Groß­va­ter dort unten arbei­te­te, dar­in, einen Press­luft­ham­mer über­Kopf zu hal­ten. In die Koh­le hin­ein. Das Gewicht des Press­luft­ham­mers, das ewi­ge Rüt­teln. Die Gelen­ke kaputt,Rückenschmerzen, Rheu­ma. Lun­gen­schä­den vom Koh­le­staub. 8 Stun­den har­te Arbeit in einer Sau­na. Da steck­te man­sich Fet­zen in die Arbeits­schu­he, denn die konn­test du her­aus­zie­hen und aus­win­den. Immer ein Hand­tuch dabei. Soei­ne Arbeit kannst du nicht 30 Jah­re lang aus­üben. Die meis­ten Hau­er arbei­te­ten spä­ter als Lok­füh­rer oder Signal­ge­ber.

1976 fuhr mein Groß­va­ter mit den Hun­ten. Über­sah die Absper­rung, denn als Hunt­füh­rer bist du mit dem Rücken­ge­gen die Fahrt­rich­tung geses­sen. 40 Ton­nen Koh­le hat­test du ange­hängt.

Ich darf in die Auf­zeich­nung der Arbeits­un­fäl­le sehen. Die meis­ten star­ben an Kopf­ver­let­zun­gen. Mei­nen Groß­va­ter­hat­te es den Brust­korb zer­quetscht und das Genick gebro­chen. In so einem Hunt befin­det sich eine Ton­ne Koh­le.  Mein­Groß­va­ter war der letz­te Ver­un­glück­te im Fohns­dor­fer Koh­le­berg­werk. Man sieht mich groß an. Erzählt es wei­ter. Der ihr Groß­va­ter, heißt es. Ich ler­ne den Lei­ter des Muse­ums­ver­eins ken­nen. Das Berg­werks­mu­se­um beim ehe­ma­li­gen Wod­zi­cky Schacht wur­de 1983 eröff­net. Bun­des­prä­si­dent Kirch­schlä­ger war dabei. Staat­li­che För­de­run­gen gibt es den­noch kei­ne, das Muse­um finan­ziert sich durch die Besu­cher, die Spen­den und die Mit­glieds­bei­trä­ge. Schon das wäre­ein Grund, Ihnen einen Besuch ans Herz zu legen. Aber ich kann zudem noch sagen: Die Füh­rung  ist wirk­lich inter­es­sant.

Eine der ehren­amt­li­chen Mit­ar­bei­te­rin­nen führt uns durch den Schau­stol­len. Davor erklärt sie uns die Dampf­ma­schi­ne, mit der man das Seil antrieb, um die Koh­le her­auf­zu­för­dern sowie die Berg­werks­leu­te in die Tie­fe hin­ein und aus der­Tie­fer her­aus zu holen. Ihr Groß­va­ter stand wie mei­ner dort unten.  Konn­te im Alter sei­ne Arme nicht mehr heben, weil er jah­re­lang als Schuss­hau­er (das waren die­je­ni­gen, die zudem die Spreng­be­rech­ti­gung besa­ßen) gear­bei­tet hat­te. Bei30° Hit­ze oder mehr. Im Lärm der Press­luft­häm­mer und der mit Press­luft betrie­be­nen Belüf­tung. Im Lärm der­Spren­gun­gen. Die Kopf­lam­pe am Helm, dar­auf eine Num­mer.  Beim Rein­ge­hen hast du dei­ne Mar­ke gegen den Helm getauscht, beim Raus­kom­men hast du den Helm abge­ge­ben und dei­ne Mar­ke zurück­be­kom­men. Nur so konn­ten sie fest­stel­len, wenn am Ende der Schicht einer fehl­te. Und gefehlt hat wohl öfters einer. Lag irgend­wo mit einer Kopf-oder Fuß­ver­let­zung.

Kein Wun­der, dass man die Arbeits­kol­le­gen als Kum­pel bezeich­ne­te. Wenn du dort unten nicht zusam­men­hältst, bist du ver­lo­ren.

Nach der Arbeit gin­gen sie ins Wirts­haus. Nicht sel­ten stell­ten sich die Frau­en der Berg­ar­bei­ter am Zahl­tag neben ihre­Män­ner. Sicher­ten sich den Groß­teil des Betra­ges, um zum Greiß­ler zu gehen und die Schul­den zu bezah­len.

Neu­lich habe ich das Buch „Die Asche mei­ner Mut­ter“ gele­sen. Mei­ne Wie­ner Groß­mutter hat es mir ans Herz gelegt.„Furchtbar“, sag­te sie, „sowas kann man sich gar nicht vor­stel­len“.

Aber man muss nicht von Irland lesen, um sich das vor­zu­stel­len. Schwar­zer, fet­ti­ger Koh­len­staub. Die Män­ner stan­den im Kreis und schrubb­ten sich in den Dusch­an­la­gen gegen­sei­tig die Rücken. Im Schwarz­bad. So hie­ßen dieDusch­an­la­gen, in die du als Schwar­zer hin­ein bist. Ins Weiß­bad durf­test du erst, wenn du sau­ber warst. Wenn du dann drau­ßen warst, bist du mit den Kum­pels ins Wirts­haus. Nach der schwe­ren Arbeit in der Hit­ze, wer mag ein­em­Berg­mann sein küh­les Bier nicht gön­nen? Haben dar­auf ange­sto­ßen, dass sie da heil wie­der hoch­ge­kom­men sind.Rückenschmerzen muss­ten sie bestimmt auch weg­spü­len.