APRIL 2022

Rot­raut Schö­berl ist Her­aus­ge­be­rin eini­ger wun­der­vol­ler Kri­mi-Antho­lo­gien im Resi­denz Ver­lag.
“Radies­chen von unten – Kri­mi­nell gute Gar­ten­mor­de” ist das zwei­te Buch die­ser Rei­he und erschie­nen 2022.
Abge­se­hen von mei­ner Geschich­te mit dem Titel “Tod dei­ner guten See­le” fin­det man auf den ins­ge­samt 224 Sei­ten Tex­te von Bet­ti­na Balà­ka, Alex Beer, Aga­tha Chris­tie, Ann Gran­ger, Seve­rin Groeb­ner, Ralf Kramp, Tat­ja­na Kru­se, ‑ky, Mar­ti­na Par­ker, The­re­sa Pram­mer, Tho­mas Raab, Erwin Rie­desser, Eva Ross­mann, Cle­men­ti­ne Skor­pil, Gabrie­le Wolff und Peter Zirbs. Die Illus­tra­tio­nen sowie das Cover wur­den von Han­na Zeckau gestal­tet.

TEXT­AUS­SCHNITT

Tod einer guten See­le

Alle sind sie gekom­men. Fein her­aus­ge­putzt, Schu­he poliert, Blick nach unten. Die arme Ber­ta, sagen sie. So eine gute See­le und so ein häss­li­ches Ende. Und was jetzt wohl wird, aus der Tru­di und dem Mar­tin, jetzt, da die Ber­ta nicht mehr für sie sor­gen kann. Wo doch die Tru­di nicht ein­mal mehr ihr eige­nes Spie­gel­bild erkennt.
Ich ste­he im Novem­ber­re­gen. Nicke nach links, nicke nach rechts. Den­ke: In ein Zim­mer wird man sie schie­ben. Die Tru­di in eines mit Bett und Schna­bel­hä­ferl und den Mar­tin …

Drei­und­zwan­zig Jah­re ist es jetzt her, dass der Luder-Sepp sei­nen Sohn mit dem Kopf vor­an so fest gegen den Spar­herd gesto­ßen hat, dass es die Christl kna­cken gehört hat. Gan­ze sie­ben Mona­te ist er im Koma gele­gen, der Mar­tin. Ein Wun­der, dass er über­haupt wie­der auf­ge­wacht sei, hat es im Dorf gehei­ßen.
Den Luder-Sepp haben sie noch in der­sel­ben Nacht ver­haf­tet. Lang hat er nicht büßen müs­sen für sei­ne Tat, kei­ne drei Jah­re spä­ter ist er wie­der bei uns am Kal­va­ri­en­berg auf­ge­taucht. Einen Radau hat er gemacht, dass mir ganz angst und bang gewor­den ist. Dass sie raus­kom­men soll, die Christl, hat er geschrien. Dass er jetzt wie­der da sei. Dass sie nicht glau­ben brau­che, dass er sich so ein­fach aus­sper­ren las­se. 
Ich hab den Ton vom Fern­se­her lei­ser gedreht und mich ans Fens­ter gestellt. Kurz hab ich über­legt, ob ich die Gen­dar­me­rie rufen soll. Aber was hät­ten die schon tun kön­nen? Der Sepp war  ein frei­er Mann, und das Haus hat auch ihm gehört. 
Und wäh­rend ich noch über­leg, seh ich auf ein­mal die Ber­ta und die Tru­di aus ihrem Haus kom­men. Die bei­den gehen auf den brül­len­den Sepp zu, packen ihn an den Ober­ar­men, eine links, eine rechts, und reden ganz ruhig auf ihn ein. Und tat­säch­lich – nach ein paar Sekun­den hört er zum Schrei­en und Fuch­teln auf und lässt sich von den bei­den durch ihr Gar­ten­türl schie­ben. 
Kurz dar­auf ist dann das Licht in der Küche von der Ber­ta und der Tru­di ange­gan­gen. Ich hab noch gese­hen, wie der Luder-Sepp sei­nen mäch­ti­gen Kör­per auf die Sitz­bank gequetscht und wie die Tru­di Speck und Brot vor ihn auf den Tisch gesellt hat.
Am nächs­ten Tag war er dann weg, der Sepp. 

…

Radies­chen von unten
Her­aus­ge­ge­ben von Rot­raut Schö­berl

224 Sei­ten
ISBN: 9783701717545
Resi­denz Ver­lag, 22. März 2022