Maes­to­so [erschie­nen in: etce­te­ra #96]

Köflach. Dass dort der Vater ihrer Großcousine lebte, denkt sie. Sie kannte nur den Namen des Orts, nicht den Mann, und immer dachte sie dabei an den eigenen Vater und dass es zu seinem Aufenthaltsort keinen Namen gab, kein Wissen. Jetzt ist auch Köflach kein Ort mehr. Die Schaufenster fast alle leer, nur in einem sieht sie schmutzige Perchten-Masken (Lager des Schreckens). Sie fragt sich, wo die Menschen hier einkaufen, die Schuhe, die Nachthemden, dass es irgendwo ein Einkaufszentrum geben muss, vielleicht aber wird Köflach auch DHL-fernversorgt.
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Pup­pen­heim, rosa­rot [erschie­nen in Fluch’­t’raum #11]

Du lebst in einem Puppenzimmer. Du hast ein Bett, deckst dich mit zwei Decken zu. Am Abend lehnst du dich gegen die Rückenlehne und versteckst dich in einer fremden Welt zwischen Papierseiten. Wanderst durch Leben, die nicht deine Leben sind, lebst Gefühle, die nicht deine Gefühle sind. Zuerst kamen sie und zerrten an den Gardinen. Drängten gegen Türen und Fensterläden. (Siehst du, Oma, was bringen schon Fensterläden, wenn die Welt vor deinem Haus steht?) Durch alle Öffnungen krochen sie, faulig war ihr Atem, abgerissen standen sie vor mir, zeigten auf ihre Beulen und Schürfwunden, hielten mir ihre Zahnlücken entgegen.
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Pro­jekt Homeage. Adal­bert Stif­ter

Mein Vater bewohnte eine mittelgroße Wohnung in einer großen Gemeindebauanlage am Ostrand der Stadt. Im Erdgeschoß des Gebäudes befanden sich außer einer kleinen Supermarktfiliale noch ein Blumengeschäft, ein Tabakladen, ein Kaffeehaus, eine Schnapsbar, eine Nachtbar sowie eine Polizeistation. Im achten Stockwerk wohnte neben der Familie meines Vaters ein Ehepaar, welches die achtzig seit einiger Zeit überschritten hatte. Der Mann, der aufgrund seiner schweren Krankheit im Bette lag, wartete tagein, tagaus auf den Tod, während seine Frau ob der Tristesse ihrer Umgebung oft in Einsamkeit versank, weswegen die Frau meines Vaters sie manchmal zu einer Tasse Kaffee einlud.

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