Lock­down Minia­tur #4

Wir klatschen, 
bis unsere Hände 
wund sind,
jeden Tag um 18:00,

Wenn der Held*innendienst endet,
um 19:00,
haben wir uns längst wieder 
anderen Dingen gewidmet. 

Der große Boss
wird ein bisschen jammern 
und vielleicht wird er was 
vom großen Kuchen abbekommen

(koste es, was es wolle)
Die Held*innen aber werden die Regale 
wieder allein einräumen.

Die Held*innen der Krise sind neonfarben.
Die Held*innen des Alltags : unsichtbar.

Lock­down Minia­tur #3

S. feiert ihren Geburtstag allein.
Die Tulpen auf ihrem Tisch,
so erzählt sie mir am Telefon,
sind vom Supermarkt.
Man hat sie ihr am Morgen
vorbeigebracht,
ebenso wie die
zwei Schokoküchlein
aus der Bäckerei.

S. sagt,
sie hätte immer schon gern
im Juni gefeiert.
Oder im Juli.
Dieses Jahr wird sie es endlich tun.

Lock­down Minia­tur #2

Den Vögeln ist unsere Krise egal.
In den Bäumen zwitschert es,
in meinem Laptop entsteht ein
neues Buch.

Ich will keine Lebensretterin sein.
Ich will die sein, die freiwillig
zu Hause bleibt, 
die lieber liest statt tanzt.
die lieber schreibt statt feiert.

Ich will die Ausnahme bleiben,
eine, über die andere
die Köpfe schütteln.

Der Unterschied
existiert nur im Kopf
und ist doch ein großer.

Lock­down Minia­tur #1

Rentner sonnen sich
auf Parkbänken
und rechtfertigen sich.

Auf Facebook kursieren Wut-Videos.
Menschen, die sie ihr Haus verlassen.
werden des zukünftigen Mordes
angeklagt.

Indes versammeln sich
unter uns die Nachbarn 
zum Grillen.
Ich schließe meine Balkontür
ich mag den Geruch 
ihres Grillanzünders nicht

Unsere Nachbarn 
versammeln sich zu oft
Jetzt böte sich die Gelegenheit: 
Ich könnte meine Nachbarn 
verpetzen