4. bis 7. Mai

An H,

Ich habe zuviel Geld fürs Taxi gezahlt und mir sei­ne sim­Card für Tou­ris­ten andre­hen las­sen. Schrei­be ich dir, fünf Stun­den nach mei­ner Ankunft. Du hast jetzt den Mes­sen­ger, ich habe ihn dir instal­liert, auf mei­nem alten Han­dy.

Du schickst mir Fotos, die Fens­ter­rah­men unse­rer neu­en Woh­nung sind ver­wit­tert, der Rah­men im Wohn­zim­mer gar morsch, dass man ihn wird aus­tau­schen müs­sen.
Tags dar­auf, irgend­wo zwi­schen Park, Bus und österr. Bot­schaft schrei­be ich an die Haus­ver­wal­tung, dann stül­pe ich mir die Regen­pe­le­ri­ne über den Kopf, damit das Objek­tiv mei­nes Foto­ap­pa­rats nicht nass wird.

Mein Freund ist Foto­graf, sagt S., als ich mei­ne Kame­ra aus­pa­cke.
Wir sit­zen in Mos­kau, das aus­sieht wie Wien. Rote Samt­ses­sel und Mon­ar­chie – ich schi­cke S. das ers­te Kapi­tel mei­nes ers­ten Romans.

Am Abend dann set­ze ich mich mit Freun­den von J. auf ein Sofa und schau­en Games of Thro­nes – ich neh­me an, der Name sagt dir was, wir haben nie dar­über gere­det, haben die Serie nie geschaut, uns nicht mal dafür inter­es­siert, obwohl alle es tun.
Pathe­tic!, kreischt D. – ein Freund von J. und eben­falls Lyri­ker – um mir zu bewei­sen, dass er selbst nichts von die­sen Lie­bes­sze­nen hal­te. Aber die Schlacht­sze­nen, meint er, die hät­ten was von Shake­speare. Post­mo­dern Shake­speare with mons­ters, sagt er, sein Eng­lisch ist ein biss­chen too over­ex­ege­ra­ted. D. kom­men­tier­te dann jede Sze­ne, die ande­ren lasen genervt die Unter­ti­tel, denn vom Ori­gi­nal­ton war nichts mehr zu hören. »Sch«, haben sie gezischt.
D. hat mir dann erklärt, dass ich die Woh­nung mit der Kli­ma­an­la­ge hei­zen soll. Die Hei­zung funk­tio­niert hier noch immer nicht, aber da habe ich dir ja schon erzählt.

Ich rau­che hier wie­der, anders geht es nicht. Alle rau­chen hier und trin­ken Bier.
Als J. und ich direkt nach der Sen­dung wie­der fuh­ren, war D. ent­täuscht.

Mein Han­dy plongt. S. schickt mir via Viber und Face­book-Mes­sen­ger Kuss-Smi­leys, Rosen und Herz­chen, ich ver­su­che, dem­entspre­chend zu ant­wor­ten. Manch­mal kom­me ich nicht nach, ich bin zu lang­sam, fin­de die Buch­sta­ben und Emo­ti­cons nicht schnell genug.

*

Auf dem Couch­tisch liegt das Buch, das ich bis über­mor­gen rezen­sie­ren soll. Von oben bläst lau­war­me Luft des Ven­ti­la­tors auf mei­ne feuch­ten Haa­re.

Nach fünf Stun­den Arbeit kommt hin­ter den Schei­ben die Son­ne zwi­schen den Wol­ken­schlie­ren her­vor. Über­mor­gen wird sie wie­der hin­ter dicken Regen­wol­ken ver­schwin­den, und auch jetzt ist es zu spät, um ein paar Strah­len abzu­be­kom­men. Ich che­cke die Wet­ter­vor­her­sa­ge, etwas, das ich zu Hau­se nie tue.
Vre­me Panče­vo tip­pe ich in das Goog­le Such­feld.
Die Son­ne macht mir ein schlech­tes Gewis­sen, ich soll­te raus, was tun, die Frem­de erobern, heu­te Abend wird man mich danach fra­gen, aber da liegt das Buch auf dem Tisch.

Davor wer­de ich mir eine Tas­se Nes­ca­fé machen. Ich könn­te mir auch eine Džes­va kau­fen, gleich gegen­über gibt es wel­che, aber manch­mal braucht es einen Stil­bruch. Nes­ca­fé geht schnell und wärmt auch.

Mein Mes­sen­ger blinkt. Eine jun­ge Autorin aus der Stadt, sie hat mei­ne Num­mer von S. und fragt, ob ich heu­te Abend Zeit habe.
Ich den­ke an das Buch auf dem Couch­tisch und ahne, dass ich das Lesen wie­der auf mor­gen ver­schie­ben muss.