Von F.s Bal­kon aus sieht man auf die Fabrik

Von dort drü­ben kommt das Gift, an dem wir irgend­wann ster­ben wer­den sag­te D., als er neben mir an sei­ner Ziga­ret­te zog. In Panče­vo macht es kei­nen Unter­schied ob du rauchst oder nicht, der Krebs erwischt hier fast alle.

Als ich mit J. den Temesch ent­lang spa­zier­te, Rich­tung Indus­trie­zo­ne, sag­te sie: Der Wind hier, der kommt immer von den Fabri­ken.

Ich beschlie­ße, dass auch die Fabrik in den Film muss und schul­te­re mei­ne Kame­ra. Fol­ge der gro­ßen, lan­gen Stra­ße aus der Stadt hin­aus, zu den Che­mie­wer­ken und der Ölraf­fi­ne­rie. Wie Adern durch­zie­hen die Lei­tun­gen und Roh­re das fla­che Land, das Are­al der Petro­che­mie ist mit Sta­chel­draht umzäunt.

Ein Sicher­heits­be­am­ter nähert sich in schnel­len Schrit­ten und fuch­telt mit den Hän­den. Ich sen­ke die Kame­ra nicht, denn das wür­de bedeu­ten, dass ich mir mei­ner Schuld bewusst bin. Der Uni­for­mier­te for­dert mich auf, die Bil­der zu löschen. Als ich nach dem War­um fra­ge, hebt er die Schul­tern. Sein Eng­lisch sei nicht so gut, ent­schul­digt er sich. 
Ich set­ze den Deckel aufs Objek­tiv und hän­ge mir die Kame­ra über die Schul­ter. Läch­le den Beam­ten unschul­dig und mäd­chen­haft an. Wei­ter unten foto­gra­fie­re ich mit dem Han­dy wei­ter. 

Wäh­rend des 78 Tage anhal­ten­den Nato Bom­bar­de­ments war auch das Indus­trie­ge­biet von Panče­vo Ziel. Am 15. April 1999 flüch­te­ten 40000 Men­schen. Bis heu­te weiß angeb­lich kei­ner genau, wel­che Che­mi­ka­li­en in den Minu­ten, als die Petro­che­mie, die Raf­fi­ne­rie und die Stick­stoff­fa­brik brann­ten, frei­ge­setzt wur­den. 
Nach dem Jahr 1999 klet­ter­te die Zahl der Krebs­kran­ken – die schon davor höher war als in ande­ren Gegen­den – noch­mals rapi­de in die Höhe.

Mit Dank an das His­to­ri­sche Archiv in Panče­vo, wel­ches mir erlaubt hat, die oben gezeig­ten Bil­der vom April 1999 auf mei­nem Blog zu ver­öf­fent­li­chen.


Den Panče­vo Krebs. So nen­nen es die Men­schen­hier, wenn jemand an meh­re­ren Krebs­ar­ten gleich­zei­tig erkrankt.Serbien fehlt das Geld für ordent­li­che Fil­ter­an­la­gen. 
Man­che sagen, das sei Blöd­sinn. Die Ser­ben tun sich selbst leid, heit es, als ich nach­fra­ge.
Auf You­Tube fin­de ich eine ARTE-Repor­ta­ge.
Als wir den Tamis ent­lang spa­zier­ten, sag­te J: Auf die ser­bi­schen Poli­ti­ker sei kein Ver­lass. Gute Fil­ter­an­la­gen wären hier schon ein Anfang.