Sty­ri­an Par­ti­san I


Das war ja nicht so, dass wir da gleich in die Wäl­der raus sind. Das war ja erst viel spä­ter. Anfangs, viel­leicht haben wir da selbst noch gehofft, dass die­ses Gespenst. Dass das das Land ver­lässt. Und wir haben ja von Anfang an auf­pas­sen müs­sen. Das haben wir aber auch schon vom Stän­de­staat gekannt. Dass du da dei­ne Ideo­lo­gie. Also, Mei­nungs­frei­heit. Die warst du ja nicht gewohnt, als Kom­mu­nist. Und als Roter auch nicht, nach den Febru­ar­kämp­fen 1934. Der Unter­grund war also nichts Neu­es.

Die Indus­trie­städ­te in der Stei­er­mark sind immer rot gewe­sen. Wegen der Fabri­ken. Die Arbei­ter, die haben rot gewählt. Das ist heu­te ja nicht anders. Schau­en Sie sich die Wie­ner Bezir­ke an, wo man rot und wo man schwarz wählt (und wo grün und wo blau)

Im Aich­feld, da gab es die Bau­ern und die Bür­ger und die Indus­trie­ar­bei­ter. (Mein Urgroß­va­ter, der Bür­ger, den­ke ich. Angeb­lich hat er sie alle gehasst. Quatsch mit Soße. Quatsch mit brau­ner Soße, dann spä­ter. So las­se ich ihn spre­chen.)

Am Anfang, da waren wir im Unter­grund, so wie zuvor die Brau­nen im Unter­grund gewe­sen waren. (Die Hit­ler­an­hän­ger. Jugend­li­che, die sich in der Grot­te tra­fen und Nazi­lie­der san­gen. Die die Fah­ne hiss­ten und den jun­gen Mäderln Bil­der vom feschen Schnauz­bär­ti­gen gaben.) Da galt es, die ande­ren von der Idee zu über­zeu­gen. Das waren dann vor allem die Zel­len der KJV. Sie tra­fen sich in den Wäl­dern und tarn­ten es als Spa­zier­gang. Dis­ku­tier­ten über Marx. Tausch­ten Lite­ra­tur aus. Infor­ma­ti­ons­ver­brei­tung. Sind dann auch zur HJ und zum BdM, haben dort dis­ku­tiert. Immer vor­sich­tig. Da ging es dar­um: Wie machen das die ande­ren, war­um sind die Jun­gen so begeis­tert, sind sie wirk­lich so begeis­tert und kannst du ihr Den­ken in eine ande­re Rich­tung len­ken? Aber immer vor­sich­tig. Das ist das Schwers­te: Ande­re zu über­zeu­gen ohne dich selbst als Kom­mu­nist outen zu dür­fen. Da bist du gleich ver­haf­tet wor­den. Aber wie gesagt: Das warst du gewohnt. Die Anhal­te­la­ger hat es ja schon unter dem Schu­sch­nigg gege­ben. Aber jetzt, da war es noch schlim­mer. Da ging so eine Ver­än­de­rung vor sich. Da bist du auf ein­mal denun­ziert wor­den. Ange­zeigt, vom eige­nen Nach­barn. Und die Angst, die du über­all gespürt hast. Sogar am Stamm­tisch hast du auf­pas­sen müs­sen, was du sagst. Das war das Gespenst des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Weil die­se gan­ze Ideo­lo­gie­schei­ße, dass man die Jugend­li­chen zusam­men­fängt und Lie­der singt und von einer glor­rei­chen Zukunft spricht, das war ja nichts Neu­es. Das hat es vor­her gege­ben und nach­her, als der Krieg aus war, hat es das auch gege­ben, bei den Kom­mu­nis­ten, da haben wir dann gese­hen, was sie draus gemacht haben. Da sind die Leu­te genau­so weg­ge­sperrt und gefol­tert wor­den, in nichts haben sie sich unter­schie­den. Und wehe, du hast zum Kreis eines Ver­haf­te­ten gehört!

Die von der Rote Hil­fe haben für die Ange­hö­ri­gen von poli­tisch Inhaf­tier­ten gesam­melt. Die Frau­en und die Kin­der, ohne das Ein­kom­men des Man­nes und dann kür­zen sie ihnen auch noch die Bezugs­schei­ne. Aber wenn du da ein paar Mark gespen­det hast und es hat dich einer ver­ra­ten … dafür haben sie dich schon fest­ge­nom­men. An man­chen haben sie ein Exem­pel sta­tu­iert, die haben sie gehenkt. Kön­nen Sie sich das vor­stel­len? Zu wel­chen Mons­tern sie die Men­schen machen woll­ten? Das war das eigent­lich Schlim­me an die­sem Regime. Die Men­schen haben sich nicht mehr getraut, Men­schen zu sein. Und unse­re Kin­der sind so auf­ge­wach­sen. Immer zusam­men­zucken. Bei jedem Wort auf­pas­sen. Und kei­ne Ach­tung vor ande­rem Leben. Weil dir die eige­ne Haut ja doch näher ist. Und ande­re, die haben sich ja auch anste­cken las­sen von die­ser Wir-brau­chen-einen-Sün­den­bock-Men­ta­li­tät.

Das hast du schon ganz früh gemerkt. Schon bevor der Krieg aus­ge­bro­chen ist. Juden­burg war die ers­te juden­freie Stadt. Aus­ge­rech­net JUDEN­burg! Die haben denen nahe gelegt, zu gehen und sie sind gegan­gen. Ist ihnen ja eh nichts pas­siert, hat es gehei­ßen. Die füh­ren jetzt ein schö­nes Leben in Wien um das Geld, das wir ihnen für ihre Woh­nun­gen gege­ben haben. Das hast du damals oft gehört. Und heu­te, wenn du in das Gast­haus gehst, kann es dir pas­sie­ren, dass sich da einer äußert, dass es noch immer viel zu vie­le von denen gibt. Die Nazis, die sind nicht aus­ge­stor­ben, die hocken heu­te noch an den Stamm­ti­schen.

Das mit den Zel­len. Da hat es wel­che in Knit­tel­feld gege­ben, mit Kon­takt bis nach Kärn­ten. Am Anfang ging es vor allem um Infor­ma­ti­on. Die ande­ren von der eige­nen Bewe­gung zu über­zeu­gen. Sich zu weh­ren gegen das, was da pas­siert. Weil vie­le, die haben das ja gar nicht gewusst. Flug­zet­tel und Zeit­schrif­ten sind da in Umlauf gebracht wor­den. Und klei­ne­re Aktio­nen, die hat es schon auch gege­ben. Wie sie zum Bei­spiel damals, als die­ser Ein­rü­ckungs­be­fehl an einen Ver­stor­be­nen kam. Da sind wir aus­ge­rückt und haben an die Grab­stei­ne der jun­gen Ver­stor­be­nen sol­che Ein­rü­ckungs­be­feh­le gehef­tet. Aber das wich­tigs­te war die Rote Hil­fe. Die Fami­li­en jener, die auf­gemuckt haben, nicht im Stich zu las­sen. Und natür­lich haben wir ver­sucht, einen Kon­takt nach Wien her­zu­stel­len. Wir hat­ten ja kei­nen Kon­takt zur Füh­rung, da war ja kei­ne Zusam­men­ar­beit mög­lich, da hast du schau­en müs­sen, dass du in dei­ner Regi­on arbei­test, ohne zu wis­sen: Was tut sich da in Wien oder in Graz? Da sind ja nur spär­li­che bis gar kei­ne Infor­ma­tio­nen an uns her­an­ge­tra­gen wor­den. Der Lew wur­de dann beauf­tragt, den Kon­takt zur Spit­ze her­zu­stel­len, was im Mai 39 auch gelang. Aber da muss die Gesta­po schon alles gewusst haben. Die sind ja schon, wie wir spä­ter erfuh­ren, seit Sep­tem­ber 38 mit Infor­ma­tio­nen ver­sorgt wor­den. Von einem unse­rer Män­ner.

Die ers­te Ver­haf­tungs­wel­le dann im Mai 39. 43 Per­so­nen haben sie wegen Vor­be­rei­tung zum Hoch­ver­rat fest­ge­nom­men.

Nach der Zer­schla­gung der KJV in Knit­tel­feld haben dann 2 jun­ge Fohns­dor­fer Berg­män­ner mit dem Auf­bau einer neu­en Orga­ni­sa­ti­on begon­nen. Haben sie nach außen als Box- und Sport­ver­ein getarnt. Einer von ihnen hat dann ein­rü­cken müs­sen, dann hat der ande­re wei­ter­ge­macht. Im Som­mer 40 sind dann auch die auf­ge­flo­gen. Aber es sind immer wie­der Zel­len ent­sand­ten. Bis zu 70 Mit­glie­der haben sie gehabt.

Es hat dann einen Leh­rer aus Pöls gege­ben, der eine Anstel­lung in Graz gefun­den hat. Über ihn sind dann auch Flug­schrif­ten nach Fohns­dorf gekom­men. Der Kon­takt zu Graz brach dann 41 ab, weil ein Spit­zel der Gesta­po alles gesteckt hat. Du hast ja in den eige­nen Rei­hen nie gewusst: Wem kannst du ver­trau­en und wem nicht. Eini­ge hun­dert Leu­te haben sie damals fest­ge­nom­men, in Fonhs­dorf, Die­ters­dorf und Het­zen­dorf, unter ihnen die Lei­ter der KP und der Roten Hil­fe, die haben sie dann zum Tod ver­ur­teilt. Die Zel­len in Knit­tel­feld und Juden­burg sind uner­kannt geblie­ben. Dann haben die von der Roten Hil­fe in Juden­burg für die Fohns­dor­fer Fami­li­en der Ver­haf­te­ten gesam­melt.

Und dann lag Deutsch­land mit Russ­land im Krieg. Da hat sich dann was ver­än­dert. Da kam es end­gül­tig zu einer Radi­ka­li­sie­rung des Wider­stands.