Sty­ri­an Par­ti­san II


Und dann also der Angriff auf die Sowejt­uni­on. Spä­tes­tens da haben es auch die Dümms­ten gewusst. Auch wenn es natür­lich nie­mand laut gesagt hat. Woher all die Bur­schen neh­men? Du kannst doch nicht plan­los in alle Him­mels­rich­tun­gen angrei­fen, das rech­net sich doch jeder Volks­schü­ler aus, dass das nicht funk­tio­nie­ren kann. (Die Müt­ter – wie vie­le von ihnen waren stolz auf ihr Mut­ter­kreuz. Man­che sogar noch nach dem Krieg. Aber was hast du vom Mut­ter­kreuz? Bekommst es für das Her­aus­pres­sen und müh­sa­me Hoch­zie­hen dei­ner 10 Kin­der und dann fal­len dir 3 davon in die­sem sinn­lo­sen Krieg. Leben­de Muni­ti­on. Nach­schub für spä­ter, nichts ande­res waren eure Buben.)

Als der Russ­land­feld­zug begann, hat auch der Wider­stand so rich­tig begon­nen. Das waren dann mehr als ein­zel­ne Aktio­nen. Jetzt wur­det ihr aktiv. Aggres­si­ver. Eure Anschlä­ge auf die Reichs­bahn. In Scheif­ling, in Neu­markt, in Thal­heim und in Dona­witz. 200 sol­cher Anschlä­ge bin­nen kür­zes­ter Zeit. Und dann haben sie 25 Eisen­bah­ner in Leo­ben fest­ge­nom­men, spä­ter dann, im Som­mer 42, waren es 70 Eisen­bah­ner aus Knit­tel­feld.

Und noch immer ist es euch nicht gelun­gen, ein zen­tra­les Netz­werk auf­zu­bau­en. Was blieb, das waren ein­zel­ne Zel­len. Die Rote Hil­fe hat wei­ter­hin Gel­der gesam­melt, nicht nur für die Ange­hö­ri­gen, auch für Essen und Aus­rüs­tung. Eure Tref­fen, immer in einer ande­ren Woh­nung. Die wur­den euch von Gleich­ge­sinn­ten zur Ver­fü­gung gestellt. Man­che von euch, die sind da schon in den Ber­gen gewe­sen. Haben unter­tau­chen müs­sen. Und die Frau­en. Ohne die Frau­en, die da mit­ge­hol­fen haben, wäre das alles ja gar nicht mög­lich gewe­sen.

Man stellt sich das immer so vor, dass da die Par­ti­sa­nen im Wald – aber ihr wart ja nur ein klei­ner Teil. Der Kampf (ihr gegen den Feind, von Ange­sicht zu Ange­sicht – den Krieg wie man ihn sich vor­stellt), den gab es ja erst ganz zum Schluss. Das ist ja nicht so, dass da 100 Män­ner raus­ge­hen und sich im Wald ver­ste­cken und drauf los bal­lern (wie in die­sen Video­spie­len). Und auf wen hät­tet ihr denn „bal­lern“ sol­len, in Öster­reich? Wo doch die öster­rei­chi­schen Bur­schen (eure Nach­barn mit denen ihr in der Mur geba­det habt und die jetzt eure Fein­de waren) woan­ders gekämpft haben? – Das war der Unter­schied zwi­schen euch und den jugo­sla­wi­schen, grie­chi­schen oder fran­zö­si­schen Par­ti­sa­nen. Die in Frank­reich und Jugo­sla­wi­en waren Hel­den, ihr wart Denun­zi­an­ten. Vater­lands­ver­rä­ter. Aus­ge­spuckt hat man vor euch, auch noch Jah­re danach.

Und dann, im Okto­ber 1942, die Mit­tei­lung auf Radio Mos­kau und BBC Lon­don. Vom Feind­sen­der wur­det ihr auf­ge­ru­fen, über­par­tei­li­chen Wider­stand zu leis­ten. Die Grün­dung einer Öster­rei­chi­schen Frei­heits­front. Sie haben ja gewusst, wer den Sen­der hört.

In Leo­ben tra­fen sich dann der Filz, der Andre­jo­witsch, der Muchitsch, der Wag­ner und der Tre­vi­sia­ni. Knüpf­ten Kon­tak­te zu den slo­we­ni­schen Par­ti­sa­nen, wohin Filz und Wag­ner 43 flüch­te­ten. Nach ihrer Rück­kehr haben sie am Auf­bau einer Basis gear­bei­tet. Und so habt ihr es nach und nach geschafft, öffent­li­che Stel­len zu infil­trie­ren (die Bahn, das Tele­gra­fen­amt, die Gemein­de­äm­ter). Habt eine Boden­or­ga­ni­sa­ti­on auf­ge­baut, die die Par­ti­sa­nen mit Lebens­mit­teln und Infor­ma­tio­nen ver­sor­gen soll­te. Und dann, im Novem­ber 43, gab es sie end­lich in der Ober­stei­er­mark, die ÖFF. Wider­stands­grup­pen aus Leo­ben, Juden­burg, Vil­lach, Graz und Wien haben da zusam­men­ge­ar­bei­tet. Im Früh­jahr, so habt ihr beschlos­sen, wollt ihr mit dem bewaff­ne­ten Kampf begin­nen. Habt alle wis­sen las­sen, dass es euch gibt, indem ihr Flug­schrif­ten unter die Leu­te gebracht habt. Kampf mit allen uns zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln ein­schließ­lich Waf­fen­ge­brauchs. (…) Errich­tung eines frei­en, unab­hän­gi­gen, demo­kra­ti­schen Öster­reichs, das mit allen Völ­kern in Freund­schaft zu leben gewillt ist, jeden Ras­sen- und Natio­nal­h­aß bekämpft sowie Reli­gi­ons- und Mei­nungs­frei­heit sichert. Auch die Ent­eig­nung und die Ver­staat­li­chung hat­tet ihr da schon drin­nen ste­hen in eurem Pro­gramm.

Gleich­zeit habt ihr am Auf­bau eines Hin­ter­lan­des gear­bei­tet. Es hat ja immer mehr gege­ben, die unter­tau­chen haben müs­sen. Poli­tisch Ver­folg­te und Deser­teu­re. Aber auch Kriegs­ge­fan­ge­ne, die flüch­ten haben kön­nen und sich euch ange­schlos­sen haben. Habt einen Bun­ker im Mur­wald ange­legt, wo ihr Waf­fen und Muni­ti­on hor­te­tet. Habt Anschlä­ge auf Eisen­bahn­an­la­gen ver­übt. Über­fäl­le auf Natio­nal­so­zia­lis­ten. Habt euch in Senn­hüt­ten ver­steckt. Ein paar von euch sind dann in einen Hin­ter­halt gelockt und fest­ge­nom­men wor­den. Und dann haben sie auch die Quar­tier­ge­ber und Spen­der fest­ge­nom­men.Vor­be­rei­tung zum Hoch­ver­rat. Lan­des­ver­rä­ter­si­che Begüns­ti­gung des Fein­des. Frau­en, natür­lich auch Frau­en. Waren ja genug Lan­des­ver­rä­te­rin­nen unter ihnen.

Und doch hat es immer ein paar Zel­len gege­ben, die sie nicht ent­deckt haben. Die haben euch Waf­fen besorgt, haben Geld gesam­melt, Flug­schrif­ten ver­teilt. Haben die Deser­teu­re unter­stützt. Da hat es dann schon eine eige­ne Anlauf­stel­le gege­ben. Und den Kon­takt nach Jugo­sla­wi­en. Das war wich­tig. Den her­zu­stel­len, nicht abrei­ßen zu las­sen. Jetzt habt ihr alle zusam­men­ge­ar­bei­tet. Das war dann schon am Ende des Krie­ges. Da ging es nicht mehr um Sozia­list oder Kom­mu­nist oder par­tei­los. Eine Ideo­lo­gie hat­tet ihr alle gemein: Den Faschis­mus bekämp­fen. Das eige­ne Leben für die Frei­heit Öster­reichs. Das hieß am Ende vor allem ver­hin­dern, dass die Nazis (die ja auch schon wuss­ten, dass ihr Krieg ver­lo­ren war) die Infra­struk­tur zer­stö­ren.

Das war euer Kampf. Kein Krieg gegen Hit­lers Armee, die von außen gekom­men war und euer Land okku­piert hat­te, son­dern Krieg gegen etwas, das tief ein­ge­drun­gen war in euer Land und sein Volk. Ihr wart die Ver­rä­ter. Ihr stan­det auf der „fal­schen Sei­te“ und gabt euer Leben für uns, die wir damals noch Zukunft waren.

In der Mos­kau­er Dekla­ra­ti­on vom 1. Novem­ber 1943 wird vom öster­rei­chi­sche Volk nicht nur als ers­tes Opfer Hit­lers gespro­chen, son­dern auch von sei­ner Ver­ant­wor­tung für die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­bre­chen. Ziel die­ser Dekla­ra­ti­on war es, die Öster­rei­che­rIn­nen zum Wider­stand gegen das Regime auf­zu­ru­fen und einen eige­nen Bei­trag für sei­ne Befrei­ung zu leis­ten. Ins­ge­samt wur­den in Öster­reich 25.000 Regime­geg­ner zum Tode ver­ur­teilt. Die zah­len- und opfer­mä­ßig stärks­te Grup­pe waren die Kom­mu­nis­ten. Den­noch wird der öster­rei­chi­sche Wider­stand noch immer nicht als sol­cher wahr­ge­nom­men, son­dern von vie­len als heroi­sche Leis­tung ein­zel­ner Per­so­nen ange­se­hen. Dass die Öster­rei­cher nach 1945 mit der Idee des Wider­stan­des nicht viel anfan­gen konn­ten, ist eine Fol­ge davon, dass ein wesent­li­cher Teil der männ­li­chen Bevöl­ke­rung für Hit­ler-Deutsch­land gekämpft hat­te. Unse­re Groß­vä­ter (nicht sel­ten Buben, mit 16 in den Krieg geschickt) hat­ten mit ihren eige­nen trau­ma­ti­schen Erfah­run­gen zu kämp­fen. „Wir haben ja auch nur unse­re Pflicht getan“. Und dann das Schwei­gen. Der öster­rei­chi­sche Wider­stand, das war etwas, das man (im glei­chen Atem­zug mit der Opfer­rol­le Öster­reichs) gegen­über den Alli­ier­ten erwähn­te, als es um den Staats­ver­trag ging (10 Jah­re also). Im all­täg­li­chen Leben jedoch wur­den Wehr­machts­de­ser­teu­re gegen­über denen, die „in der fal­schen Uni­form gekämpft hat­ten“ benach­tei­ligt, slo­we­ni­sche Par­ti­sa­nen bespuckt und ihrer Spra­che beraubt und ehe­ma­li­ge Nazis mas­sen­haft von ihrer Schuld freigesprochen.Überdies waren ehe­ma­li­ge Ange­hö­ri­ge der deut­schen Wehr­macht sozi­al­recht­lich wesent­lich bes­ser gestellt als jene Men­schen, die der NS-Herr­schaft wider­stan­den hat­ten.

ver­wen­de­te Quel­len :
Heimo Halb­rai­ner, Micha­el Schie­stl (Hrg): Adolf­burg statt Juden­burg. (sie­he Kapi­tel: Wider­stand und Oppo­si­ti­on in der Regi­on Aich­feld-Mur­bo­den);
Öster­rei­schi­sche Media­thek ;
minderheiten.at: Der Staats­ver­trag