Was ist Fohns­dorf ohne den Berg­bau?

Im Haus steht die alte, mit Dampf betrie­be­ne Zwil­ling­s­tan­dem­för­der­ma­schi­ne aus dem Jahr 1923 – jenem Jahr, als sie­von Deutsch­land hier­her kam und in 2jähriger Arbeit zusam­men­ge­setzt wur­de. Von 1925 bis zur Schlie­ßung 1978 war sie in Betrieb. Und sie ist heu­te die ein­zi­ge funk­ti­ons­tüch­ti­ge Maschi­ne ihrer Art. Nur dass man sie nicht mehr braucht.Sie ist zum Muse­ums­stück gewor­den – wie so vie­les hier.

Wir sehen uns einen Film an. Bekom­men die Hand­ha­bung der Maschi­ne erklärt, mit­tels derer der För­der­lift betä­tigt­wur­de. Gas­pe­dal, Brems­pe­dal, Steue­rung. Bei­de Hän­de und bei­de Füße sind da beschäf­tigt. Bei der roten Mar­kie­rung musst du zu brem­sen begin­nen, bei der wei­ßen muss sie ste­hen. Alle 1,5 min umsteu­ern. Hochkonzentriert.Verantwortung für 2000 Ton­nen Koh­le und 128 Men­schen­le­ben jede Schicht.

Dass nur weni­ge den Job geschafft haben, wird uns gesagt. Früh schla­fen gehen und nichts trin­ken. Die Füh­re­rin erklär­tuns tech­ni­sche Details – 3600PS, Hoch­druck- und Nie­der­druck­zy­lin­der. Das Seil eine Län­ge von 1000 Metern, ein­Me­ter Seil hat ein Gewicht von 14 kg. Das hast du regel­mä­ßig ölen und rei­ni­gen müs­sen. Im Karl-August- und im Anto­nischacht hat­ten sie elek­tri­sche Maschi­nen. Mein Groß­va­ter hat das Schnau­fen des Damp­fes also nicht gehört.

Die Hun­te kom­men gefüllt aus dem Lift her­aus, auf der ande­ren Sei­te fah­ren die lee­ren wie­der hin­ein. Die Koh­le­sor­tie­rung erfolgt mit­tels einer Schwe­re­flüs­sig­keit (Magne­tit), die Koh­le schwimmt oben und sau­res Gestein(alles was nicht Koh­le ist) sinkt ab. Das wird dann ein­fach abge­la­gert, wie wenn Kin­der in der Sand­kis­te spie­len und beim Gra­ben des Loches einen Sand­berg anhäu­fen. Der rote Berg steht hin­ter dem ehe­ma­li­gen Haus mei­ner Oma. Bis­zu 1000°C hat­te es damals da drin­nen. Brann­te inner­lich, dadurch schmolz das Mate­ri­al zusam­men. Heu­te wird die­seHal­de abge­baut. Der rote Sand wird als Ten­nis­sand ver­wen­det, geht nach Ita­li­en, zum Abdäm­men von Roh­ren. Dient der Begrü­nung für Kreis­ver­keh­re, da er die roten Schne­cken abhält. Der Ver­kauf des Koh­le­ab­fall­pro­dukts bringt heu­te mehr Geld ein, als wür­de man hier tat­säch­lich noch Koh­le abbau­en.

Mein Groß­va­ter hat das Ende des Berg­baus in die­ser Gegend nicht mehr erlebt, er starb 1976, ein hal­bes Jahr nach mei­ner Geburt. Mein Groß­va­ter war der let­ze töd­lich Ver­un­glück­te.

Fohns­dorf, das ehe­mals größ­te Dorf Öster­reich, wirkt heu­te ein wenig aus­ge­stor­ben. Ein Dorf in der Stei­er­mark eben.So, wie man es sich vor­stellt. Kühe und Abwan­de­rung. Haupt­sa­che, die neue Ther­me haben sie in die Land­schaft hin­ein­ge­setzt. Als wäre ein gro­ßer Vogel über die Fel­der geflo­gen und hät­te sein Pat­zerl dort fal­len las­sen.

Schön ist sie, die neue Ther­me, das schon. Und teu­er war sie. Sünd­teu­er. Aber wer fährt schon von Wien oder Graz in die Ther­me Fohns­dorf? Mei­ne Juden­bur­ger Ver­wand­ten sind ger­ne dort, sonn­tags, um aus­zu­span­nen. Aber vor drei­Wo­chen, an Chri­si Him­mel­fahrt, wo waren sie da? In Blu­mau.

Wie die Leu­te hier hal­ten?

Eine Fra­ge, die zu stel­len Sinn macht, zumin­dest aus Sicht eines Poli­ti­kers, der sei­ne Hei­mat liebt und will, dass die­Jun­gen hier blei­ben. Schön ist es hier, so schön grün und die Ber­ge und die (seit der Still­le­gung des Kohlebergwerks)frische Luft und die Leu­te sind so freund­lich. Hier ist man eben Kum­pel, nicht Frem­der (wirbt der Tourismusverband).Aber als jun­ger Mensch – wenn du nichts mit Che­mie oder Stahl­bau am Hut hast, was soll dann aus dir wer­den? Alle wol­len nicht nach Leo­ben stu­die­ren gehen (obwohl da vie­le jun­ge Män­ner und Frau­en hin­fah­ren, wenn ich mon­tags um9h mit dem Zug nach Wien pend­le). Aber was, wenn man doch lie­ber Ger­ma­nis­tik oder Publi­zis­tik oder Jus oder weiß der Teu­fel was stu­die­ren will? Oder wenn man gar nicht stu­die­ren will? Wenn man trotz­dem nicht ins Stahl­werk will?Wenn man nicht als Bil­la­ver­käu­fe­rin sein Leben fris­ten oder das Geschäft der Mama wei­ter­füh­ren will, weil sowie­so alles raus in die Are­na fährt, wo es jetzt die­ses rie­si­ge Ein­kaufs­zen­trum gibt? Wenn man nicht als Kof­fer­boy im Schloss Gabel­ho­fen arbei­ten will, um blond gefärb­ten Wie­ne­rin­nen in Stö­ckel­schu­hen und teu­rem Kos­tüm das Gepäck ins­Zim­mer zu tra­gen, in dem viel­leicht mal der eige­ne Urgroß­va­ter mit sei­ner Frau und den 4 Kin­dern gehaust hat?

Was, wenn man am Abend mehr tun will, als bloß vor dem Fern­se­her zu sit­zen? Wenn man sich kein Auto zule­gen will, son­dern lie­ber ein bis­serl bes­ser in der Stadt ver­dient und die­ses biss­chen Mehr nicht ins Ben­zin, einen Park­platz und in eine Auto­vi­gnet­te ste­cken will? Wenn man den Bekann­ten­kreis nicht bloß auf Face­book erwei­tern will?

2500 Men­schen hat das Koh­le­berg­werk ein­mal einen Arbeits­platz gebo­ten. Am Schluss waren es noch immer 1000.Man ist nicht ein­sam gewe­sen in Fohns­dorf, Wasen­dorf, Die­ter­dorf und Kum­pitz. Heu­te sieht es dort ziem­lich trost­los aus.

 Wasen­dorf: Ein jun­ges Mäd­chen geht mit sei­nem iPho­ne zur Bus­sta­ti­on, gefärb­te Haa­re, Pier­cing, rosa T‑Shirt, über­ge­wich­tig. Was tust du hier den gan­zen Tag? Als mei­ne Groß­mutter nach Graz zog, war ich 5. In mei­nen ers­ten Schul­fe­ri­en gab es kei­ne Kuh­wei­de und kei­ne Sta­chel­bee­ren mehr. Bit­ter­bö­se war ich auf sie. Aber wie lan­ge wäre ich nach Wasen­dorf auf Besuch gekom­men?

TIPP: Besu­chen Sie die Sei­te des Berg­bau­mu­se­ums. Dort fin­den Sie Infor­ma­tio­nen und Bil­der. Ein­fach auf das Bild kli­cken. Noch bes­ser: Set­zen Sie sich in den Zug oder ins Auto und besu­chen Sie den Schau­stol­len sowie das För­der­haus mit der Dampf­ma­schi­ne selbst! Das Muse­um über­lebt durch sei­ne Besu­cher und die Ver­eins­mit­glie­der, die alle ehren­amt­lich arbei­ten und sich bemü­hen, die Geschich­te des Fohns­dor­fer Berg­baus nicht in Ver­ges­sen­heit gera­ten zu las­sen. Die Füh­run­gen fin­den von Mai bis Okto­ber statt – die Füh­re­rIn­nen rich­ten sich  nach den Besu­che­rIn­nen – die Beginn­zei­ten sind varia­bel – ein­fach vor­bei­kom­men. Ein Anruf davor emp­fiehlt sich den­noch – die Leu­te vom Muse­ums­ver­ein sind freund­lich und hilfs­be­reit und gestal­ten die Füh­rung sehr kurz­wei­lig.

Noch ein paar wis­sens­wer­te und weni­ger wis­sens­wer­te Din­ge zum The­ma Berg­bau:

– Der Hunt oder auch Hund kommt tat­säch­lich vom Gru­ben­hund. Frü­her schnall­te man Hun­den die Koh­le­sä­cke auf den Rücken. Ein Hunt (natür­lich der eiser­ne Hunt) fass­te eine Ton­ne Koh­le.

– Das Licht im Berg­werk wur­de „Geleucht“ genannt. Frü­her waren es Fackeln, spä­ter Ton­lam­pen. Danach kamen die Froschlam­pen, auch genannt „Frosch“. Eine Öllam­pe, deren Licht ziem­lich gefla­ckert hat, wes­we­gen die Berg­werks­leu­te einen gewis­sen „Tick“ hat­ten: sie zwin­ker­ten sehr oft. Spä­ter kamen dann Lam­pen mit Blei­ak­kus mit einem Gewicht von 3,5 kg.

– Die Schutz­pa­tro­nin der Berg­werks­leu­te war die hei­li­ge Bar­ba­ra. Weil sie nur 29 Jah­re alt wur­de, hat der Kit­tel der Berg­werks­män­ner 29 Knöp­fe.

– Das „Orsch­le­der“ dien­te als Schutz und wur­de auch zum Hin­un­ter­rut­schen in den Berg genutzt (in Fohns­dorf fuhr man aller­dings mit dem Lift). Es ist ein drei­ecki­ges Stück Leder und dien­te auch als eine Art „Initia­ti­ons­ri­tus“ : Ein Hum­pen Bier und danach ein kräf­ti­ger Sprung über das Arsch­le­der – so wur­de man in den Hau­er­stand auf­ge­nom­men. Man sieht also, das Arsch­le­der und der Alko­hol gehör­ten zum Berg­bau wie dazu wie die stol­zen Berg­män­ner selbst. (Nur der arme Maschi­nist an der Zwil­lings­dampf­ma­schi­ne muss­te sogar nach der Schicht nüch­tern blei­ben, damit ihm am nächs­ten Tag nicht die Hän­de zit­ter­ten). Woher die­ser Stolz kam? Nun, die Koh­le war immer­hin ein­mal das schwar­ze Gold – und nicht sel­ten bestimm­te sie mit, wer mit wem und gegen wen kämpf­te.

Übri­gens gibt es den Arsch­le­der­sprung auch heu­te noch – denn trotz der Schlie­ßung des Berg­werks gibt es den Knapp­schafts­ver­ein Fohns­dorf. Die­ser hat auch das Muse­um gegrün­det. Und der Män­ner­ge­sangs­ver­ein Fohns­dorf singt auch heu­te noch: „Ja den Söh­nen der Gru­ben und der Ber­ge reicht ein jeder freund­lich die Hand – Es lebe hoch der Berg­manns­stand.“

Und zum Schluss noch ein altes Stei­ger­lied:
„Die Berg­leut sein kreuz­bra­ve Leut, denn sie tra­gen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht, denn sie tra­gen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht und sau­fen Schnaps, und sau­fen Schnaps.“