In den Nächten unterhalte ich mich mit Belma.
Weißt du, was das einzig Positive an diesem verdammten Krieg war?, fragt sie mich. Früher hatte ich vor so vielen kleinen Dingen Angst und habe mir ständig Sorgen gemacht. Im Krieg kommst du dann drauf, wie unwichtig die meisten Dinge sind.
Belma ist Muslima. Wenn sie beten geht, lässt sie mich für 10 Minuten allein, um in einen Nebenraum zu gehen. Sie hält sich nicht strikt an die Zeiten wie Murat. Dass sie zu ihrer Religion im Krieg gefunden hätte, erzählt sie.
Viele, die mit der Religion nichts am Hut hatten, haben im Krieg zu beten begonnen.
Mein Zimmernachbar – ein Engländer, der das Klo und das Bad jedes Mal in katastrophalem Zustand verlässt – fragt mich, ob ich schon diese und jene Kirche gesehen hätte. Ob ich durch den Tunnel gekrochen sei. Ob ich wisse, dass Sarajevo die Stadt sei, die die längste moderne Belagerung erlebt hätte.
Ich erzähle ihm von meinen Abenden auf Belmas Bank.
Wieso ich so viel bei diesem Ehepaar hocke, fragt er mich, ich solle lieber in die Stadt gehen, immerhin reise ich doch bald weder ab.
Willst du von meinem Käse kosten, fragt er. Der Käse hier sei so gut. Und dann will er wissen, ob ich mir die Rodelbahn der Olympischen Spiele schon angesehen hätte?
Was soll ich ihm darauf antworten? Dass ich Danijels Wohnung gesucht und gefunden hätte? Dass Belmas Garten wichtiger sei als die Rodelbahn – weil es die in meinem Roman nicht braucht?
Am Ende meines Aufenthalts steige ich in den Bus zurück nach Wien. Ich habe Belma versprochen, ihr mein Buch zu schicken. Ich habe ihr außerdem versprochen, Skype auf meinem Laptop zu installieren. Als ich nickte, glaubte ich noch selbst daran. Aber ich bin schlecht im Kontakte-Halten. Ich hoffe, dass sich Belma bei meinem nächsten Sarajevo-Besuch trotzdem über ein Wiedersehen freuen wird.