Almen, Schlös­ser und Sau­er­kraut

Man­che haben einen Ohr­wurm, ich habe einen Nasen­wurm. Gerü­che haken sich an mei­nen Flim­mer­här­chen fest und wol­len nicht so schnell aus mei­ner Nase ver­schwin­den. Ges­tern zum Bei­spiel. Hat mich ein Mann ange­haucht, aus des­sen Mund es ein­deu­tig nach Sau­er­kraut roch. Als er weg war, lüf­te­te ich das Büro – den Geruch hat­te ich aber noch in der Bahn in der Nase. Erst als ich aus­stieg und die Kühe … ja, ja, ich weiß: IN JUD­BURG RIECHT ES NICHT NACH KÜHEN!! Aber, lie­be Juden­bur­ger und Juden­bur­ge­rin­nen, so groß ist Juden­burg nun auch wie­der nicht. Und wenn da rund­her­um die Alm­wie­sen …

Heu­te bin ich – so wie ich es mir hier zur Gewohn­heit gemacht habe, nach dem Früh­stücks­kaf­fee zwei Stun­den spa­zie­ren gegan­gen. Und als ich schon am Weg zurück bin, sehe ich in der Fer­ne, Rich­tung Wey­er­schlössl, etwas Brau­nes auf der Wie­se ste­hen. Ein biss­chen unbe­weg­lich ist die­se Her­de, den­ke ich noch. Gehe also noch den Abste­cher Rich­tung Reif­ling hin­über. Nun gut, es waren Scha­fe. Und der Geruch, den ich hier stän­dig in der Nase habe, kommt ein­deu­tig nicht von ihnen. Aber gehen Sie mal ein Stück­chen wei­ter hin­auf und über die Brü­cke. Die gro­ße Wie­se hin­ter dem Schloss. Na, wenn da nicht bald Kühe drauf ste­hen! Einen Mist­hau­fen fand ich auch. Aber kein Grund zur Auf­re­gung – wenn Sie mei­nen Blog bis­her auf­merk­sam gele­sen haben, wis­sen Sie : Nichts macht mich glück­li­cher als der Geruch einer Kuh, ein Fleck­chen grü­nes Gras und Vogel­ge­zwit­scher. So ist das, wenn man als Kind vom Land in die Stadt ver­frach­tet wird. Ande­re flüch­ten ja frei­wil­lig. Die haben nach 20 Jah­ren Kuh­ge­ruch und Bau­ern­dis­ko die Almen- und (Klein-)Alpenlandschaft satt. Ich hin­ge­gen erwi­sche mich dabei, zu träu­men, wie es wäre, hier zu blei­ben. (Einen all­zeit ver­füg­ba­ren Schlaf­platz in Wien hät­te ich aller­dings schon noch gern).

Wenn ich in die­se Gegend zöge – ich wür­de mir das Wey­er­schlös­sel aus­su­chen. Eben­so wie das Schloss Gabel­ho­fen, in dem mei­ne Groß­el­tern in den 50ern wohn­ten, war auch das Wey­er­schloss eine Unter­kunft für Arbei­ter. „Wenn du was von einem Mädel willst, sag ihm ja nicht, dass du vom Wey­er­schlössl kommst“, hieß es.

Das Wey­er­schloss besteht noch heu­te aus Woh­nun­gen. Das fin­de ich char­mant. Gefällt mir viel bes­ser als das Nobel­ho­tel Gabel­ho­fen. Mei­ne Tan­te (die als Kind selbst noch im Schloss Gabel­ho­fen gewohnt hat) hat sich dort ein­mal eine Nacht geleis­tet. Ein Hotel­zim­mer für eine Per­son dien­te frü­her als Unter­kunft für fünf Leu­te oder mehr. Zim­mer, Kuchl, Kabi­nett. Der Ort, an dem mei­ne Urgroß­mutter in die offe­ne „Bank“ gefal­len ist, weil mei­ne Groß­mutter ver­ges­sen hat­te, den Deckel der Tru­he zu schlie­ßen. Als ich vor einem Jahr Gabel­ho­fen auf­such­te, um nach alten Fotos zu fra­gen (die es angeb­lich nicht gibt), stö­ckel­te gera­de eine Dame auf hohen Hacken hin­ter einem kof­fer­tra­gen­den Mann (Lakai?) hin­ter­drein. Um ihren Hals das klas­si­sche Tuch mit Pfer­den und Ket­ten­glie­dern drauf. In den Ohren gro­ße Per­len, die Haa­re hoch­ge­steckt. Na, du Prin­zes­sin, dach­te ich, wenn du wüss­test, dass du heu­te in einem Zim­mer geschla­fen hast, in dem frü­her Berg­ar­bei­ter gewohnt haben. Vor allem, wie sie gewohnt haben. Da gab es ande­re Sit­ten. Da putz­te ein Mann nicht das Klo, denn das war Frau­en­ar­beit. Und run­ter­ge­las­sen hat man nur, wenn es wirk­lich nötig war. Um Was­ser zu spa­ren. Als mein Vater bei sei­ner Schwie­ger­mut­ter (mei­ne ande­re Oma) zu Gast war, hat es eine Zeit­lang gebraucht, bis er drauf­kam, wie­so sie so böse schau­te.

Nein, Gabel­ho­fen ist nicht mein Stil. Es ist sehr schön reno­viert wor­den, kei­ne Fra­ge. Aber wenn man durchs Wey­er­schlös­sel geht, spürt man einen gewis­sen Charme. Und ja, dort lässt es sich heu­te, den­ke ich, gut leben. Im Gar­ten gibt es ein Gemein­schafts­bio­top mit Lie­gen. Hin­ten die Wie­se und den Wald, zehn Minu­ten Fuß­weg ins Stadt­zen­trum. Die Net­to­mie­te für 85 m² beträgt übri­gens an die 650 Euro. Und da ist dann wirk­lich schon alles dabei, also auch die Heiz­kos­ten … Und wenn ich dar­an den­ke, wie schnell mei­ne Ver­span­nun­gen ver­flie­gen, sobald ich nur über eine Wei­de gehe, den Kuh­ge­ruch in der Nase und das Vogel­ge­zwit­scher in den Ohren, fra­ge ich mich, was ich in einer Stadt wie Wien noch will. Chi­ne­sen-Schnell­im­biss und über­füll­te Karls­platz­pas­sa­ge – wer sagt, dass das der bes­se­re Geruch ist??

Zum Wey­er Schloss gibt es übri­gens einen Link – da kann man alles Wis­sens­wer­te nach­le­sen und sehen, wie es vor der Reno­vie­rung aus­ge­se­hen hat: www.schloss-weyer.at