Bil­lig­con­tent Blues

Bil­lig­con­tent Blues

Ich schaue meinem Mann ins Gesicht. Seine Augen sind geschlossen, wir liegen im Bett, es ist kurz nach halb sieben.  „Immer dasselbe, langweilige Ritual“, sagt er, als er die Augen aufschlägt. „Aufstehen, Kaffeemaschine einschalten, Zähne putzen, Käsebrot essen, aufs Klo gehen, duschen, anziehen und in die Schuhe schlüpfen.“ „Ich schlüpfe morgens nie in die Schuhe“, sage ich. 
“Sie­ben”

“Sie­ben”

Sieben Geschwister sind sie gewesen, sagte die Großmutter. Die Lore, der Otto, der Josef, den alle den Pepsch nannten, der Hermann, der Ludwig, die Meri und als Letzte sie selbst, die Fips, eigentlich Philippa. Davor gab es noch drei Kinder, aber die gehörten nicht dazu, die waren vor ihrer Zeit. Die drei haben ihren ersten Geburtstag nicht erlebt, das eine kam 1914 tot zur Welt, das zweite wurde keine Woche alt und das dritte (auch schon ein Josef, so steht es auf dem Grabstein) starb mit nur neun Monaten an der Grippe, zwei Wochen bevor der Urgroßvater aus dem Großen Krieg heimkehrte.
“Mond, Ster­ne und dazwi­schen wir”

“Mond, Ster­ne und dazwi­schen wir”

Leon kämpfte sich durch den Schnee. Am Vorabend hatte der Winter die Stadt eingenommen, seitdem lag auf den Gehsteigen ein dicker, weißer, knirschender Teppich. Während sich seine Beine vorwärtskämpften, fragte er sich Leon, wie ihn seine Klassenkameraden nennen würden, wenn er nicht Anders hieße. Sein Freund Paul hatte es auch nicht leicht. Weil er Spatzinger hieß, wurde er von allen ausgelacht.  »Paul, dein Spatzi hängt raus!«, rief Finn ihm ständig nach. Pauls Spatzi hing natürlich nicht raus. Paul wurde einfach nur so gemobbt, ohne Grund. Vor allem Finn und Sophie machte es Spaß, ihn zu quälen.
“Mör­de­ri­sche Alpen”

“Mör­de­ri­sche Alpen”

Das Gesicht liegt im Schatten, deswegen kann Süßkind sein Gegenüber nicht sehen. Aber hören kann er den Mann, dazu ist so eine Vorrichtung ja gedacht, zum Hören, und hören, das tut Süßkind, von weichem Fleisch und süßem Atem, von blauen Puppenaugen unter nassen Wimpern und rot angelaufenen Backen. Von Schweiß, süßlich-sauer wie Himbeersaft, von strampelnden Beinchen, die Minuten zuvor noch auf dem Fahrrad gestrampelt sind und nun in die Luft treten. Schweiß bricht aus Süßkinds Körper, kein süßlich-saurer Himbeerschweiß, sondern herb-saurer Männerschweiß, er tränkt das Hemd und lässt die Lippen salzig schmecken, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von den Bösen. Süßkind fährt mit dem Zeigefinger unter den Kragen, Luft, er bekommt keine Luft, der Kehlkopf hüpft nach oben, Süßkind keucht und schluckt, während der  Mann auf der anderen Seite mit einer unerträglichen Fistelstimme von lauen Abenden in den Praterauen erzählt. 
“Tor­ten­schlach­ten”

“Tor­ten­schlach­ten”

Mit Geschichten von Polly Adler, Ela Angerer, Bettina Baláka, Ruth Cerha, Friedrich Dönhoff, Petra Hartlieb, Monika Held, Peter Henisch, Wolfgang Hermann, Margarita Kinstner, Elisabeth Klar, Edith Kneifl, Konrad Paul Liessmann, Heidi List, Klaus Nüchtern, Klaus Oppitz, Kurt Palm, Verena Petrasch, Eva Rossmann, Tex Rubinowitz, David Schalko, Susanne Scholl, Dirk Stermann, Cornelia Travnicek, Anna Weidenholzer und einem Songtext von Gustav
Antho­lo­gie “Bezie­hung­Kri­sen­Herd”

Antho­lo­gie “Bezie­hung­Kri­sen­Herd”

„Ausweitung der Kampfzone“ – so lautete das Thema des 19. Münchner Kurzgeschichtenwettbewerbs. Über 700 Schreibende meldeten sich – dramatisch, spannend, verzweifelt, ironisch, liebevoll, einfühlsam – mit einem kurzen Text zu Wort. „Kampfzone“, das ist für die einen Krieg, Neo-Imperialismus, Balkan, Afghanistan, für die anderen Geschlechterkampf, Identitätsfindung, Liebe oder Altern. Die 23 besten Storys hier in vorliegender Anthologie.
“Stadt­men­schen”

“Stadt­men­schen”

– Stadtmenschen – Vierzig Stadtmenschen erzählen über das Lebensgefühl Stadt, von Lieblingsplätzen und prägenden Erinnerungen, Sehnsüchten und Lebensentwürfen.